„Im Orden sind wir tatsächlich eine große Familie“

Erneuern, um den Glauben in Krisenzeiten zu leben: Die Erfahrung der Statthalterei für die Schweiz

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Luogotenenza per la Svizzera

Gedankenaustausch im Gespräch zwischen S.E. Mgr Dr. phil. Dr. theol. Felix Gmür, Bischof von Basel, Präsident der Schweizer Bischofskonferenz und Prior der Deutschschweizerischen Sektion OESSH und I.E. Dr. phil. Donata Maria Krethlow-Benziger, Statthalterin für die Schweiz, November 2020

 

Donata: Lieber Bischof Felix, das Jahr 2020 war geprägt von der Covid-19-Pandemie. Wie hast du persönlich diese Krise erlebt und was sind deine Erfahrungen im Rahmen Deines Amtes als Präsident der Bischofskonferenz? Wie konntest Du als oberster Vertreter der Römischen Kirche Einfluss auf die Krisenbewältigung nehmen?

Zuerst einmal hat mich die Krise aus der Routine geworfen und wieder einmal deutlich gezeigt, dass im Leben nichts sicherer ist als Veränderung. Krisen sind mit viel Unsicherheit verbunden. So war die Bischofskonferenz zunächst gefordert, die Konsequenzen für die geistliche Begleitung der Gläubigen abzuschätzen und das kirchliche Leben im Austausch mit den Behörden situationsgerecht zu regeln. Eine wichtige Erkenntnis daraus war und ist, dass die Kirche ihre digitale Präsenz verbessern muss. Die letzten Monate haben hier zu einem Innovationsschub geführt. Im Lockdown waren die Pfarreien gefordert, neue Kommunikationswege zu erschließen. Zum Beispiel: multimediale Impulse auf sozialen Medien, digitale Karten als tägliche Begleitung durch die Karwoche, Live-Videogottesdienste oder Video-Konferenzen als Dialogplattformen. Künftig werden wir digitale und analoge Plattformen noch flexibler an die jeweilige Situation angepasst orchestrieren müssen.

 

Donata: Eine besondere Herausforderung in der laufenden Krise stellt für uns Mitglieder des Ritterordens – und nicht nur für uns – das gemeinsame Leben in Orden und Kirche dar. Welche Möglichkeiten siehst Du, die religiöse Tätigkeit im Orden noch zu verbessern oder anders zu gestalten?

Wenn immer möglich, sollen sich die Ordensmitglieder zu ihren Zusammenkünften treffen. In kleineren Gruppen, z.B. zum Rosenkranzgebet oder zu einer Herz-Jesu-Freitag-Andacht ist das meistens möglich. Jüngere Leute haben auch gemeinsame Gebetsstunden oder biblische Meditationen online organisiert. Das freut mich und sollte auch bei unseren Ordensmitgliedern stärker in Betracht kommen. Zudem ist es berührend, dass die tätige Nächstenliebe, Besorgungen für ältere Mitglieder, ein Besuch bei einem Kranken usw. im Orden täglich gelebt wird.

 

Bischof Felix: Liebe Donata, wie hast Du das Jahr im Ritterorden vor dem Hintergrund der Coronakrise bisher erlebt?

Es war berührend zu sehen, wie sich während dieser Krise in unserem Ritterorden wertvolle Zeichen einer sich vertiefenden Verbundenheit manifestiert haben. In einer solchen außergewöhnlichen Zeit musste man gerade innerhalb der Ordensgemeinschaft zusammenstehen und sich unterstützen. Es hat sich in schöner Weise bewiesen, dass wir eine große Ordensfamilie sind. Besonders die älteren, die schwächeren oder die alleinstehenden Mitglieder wurden nicht vergessen. Mit Fantasie und etwas Innovationslust versuchten die Verantwortlichen des Ordens die sozialen Kontakte weiterhin zu pflegen. So gab es etwa Telefonketten oder die Präsidenten oder Prioren meldeten sich bei den Mitgliedern. Jüngere Mitglieder haben sich bei den älteren erkundigt, ob sie Hilfe beim Einkaufen brauchen etc. Nicht nur das Telefon bekam wieder Bedeutung, auch die bewährte Briefpost wurde vermehrt aktiviert, um die Mitglieder zu erreichen. Zudem wurden etwa innerhalb der Sektionen Whatsapp-Gruppen Chats gegründet. Von Hause aus konnte man auch zu festgelegten Zeiten mit dem Komturei- oder Sektionsprior im Geiste und im Gebet verbunden sein oder es wurden Gottesdienste gehalten, die auf Youtube mitgefeiert werden konnten. Von einigen – vor allem älteren – Ordensmitgliedern durften wir mit Freude vernehmen, dass sie während der Isolierungszeit dank des Ordens über Kontakte zu Menschen und zur Außenwelt verfügten.

 

Bischof Felix: Die Investitur, die in Basel geplant war und die anderen großen Anlässe konnten nicht durchgeführt werden, was hat dir als Statthalterin am meisten gefehlt?

Es war das erste Mal in der 70-jährigen Geschichte unserer Statthalterei, dass eine Investitur abgesagt werden musste. Überhaupt wurde unser ganzes Ordensleben in diesem Jahr stark beeinträchtigt. Viele, uns teuer gewordene Anlässe konnten nicht durchgeführt werden. Die paar wenigen Anlässe, die seit März stattgefunden haben, versuchte ich nach Möglichkeit zu besuchen. Wie gerne traf ich die Mitglieder, um mich mit ihnen auszutauschen. Der persönliche Kontakt und die Berührung mit meinen Mitgliedern fehlten mir sehr. Und besonders vermisste ich auch die Pilgerreisen ins Heilige Land, um die Menschen dort zu treffen. Das ist ein großer Verlust im Ordensleben.

 

Bischof Felix: Wir als Damen und Ritter haben uns um die Christen im Heiligen Land zu kümmern, die unserer persönlichen Fürsorge anvertraut sind. Wie konntest du in diesem Jahr, ohne dorthin zu reisen, Verbindung zu den Menschen dort pflegen?

Wiederholt hatte ich in dieser Zeit Kontakt mit vielen verschiedenen Personen im Heiligen Land und drückte ihnen unsere tiefe Verbundenheit aus. Die Verantwortlichen des Lateinischen Patriarchats, die Schwestern von St. Vincent de Paul, die Rosenkranzschwestern, Priester des Priesterseminars in Beit Jala, und viele andere waren allesamt glücklich über diese unsere Zeichen der Treue und Anteilnahme. Da ich mit allen Projekten der Schweizerischen Statthalterei persönlich eng verbunden bin, schmerzte es mich sehr, dass ich 2020 nicht dorthin reisen konnte. Ich hatte geplant dieses Jahr zweimal eine Reise dorthin zu unternehmen. Sobald es wieder möglich sein wird, ins Heilige Land zu fahren, um die Menschen vor Ort zu besuchen und mich über die Lage und die konkrete Situation persönlich zu informieren, werde ich dies unverzüglich unternehmen. Gerade jetzt bedürfen die Christen in der dortigen Region von uns Damen und Rittern Zeichen der Hoffnung und Zeichen der Verbundenheit. Für 2021 und 2022 sind jetzt Pilgerreisen unserer drei Sektionen in Planung. Es wird nach der Pandemie umso wichtiger und dringender sein, ins Heilige Land zu pilgern.

 

Donata: Bischof Felix, Du hast nicht nur als Prior der Deutschschweizer Sektion unseres Ordens einen großen Bezug zum Heiligen Land, sondern auch als Protektor des Caritas Baby Hospitals. Diesen Posten hast du gemeinsam mit dem Erzbischof von Freiburg i.Br. inne. Du bist, wie ich auch, ein bis zweimal im Jahr in Bethlehem und triffst die Verantwortlichen vor Ort. Du warst wohl, wie wir alle, in diesem Jahr ebenfalls verhindert gewesen, das Heilige Land zu besuchen? Wie konntest du persönlich den Kontakt zum Spital und zu den Menschen dort pflegen?

Zum Heiligen Land hatte ich über diverse Kanäle persönlichen Kontakt, wenn auch unter erschwerten Bedingungen. Zum Caritas Baby Hospital hatte ich leider keinen direkten Kontakt, nur mit der Geschäftsstelle in der Schweiz. Die Heiliglandreise im Januar 2021 mit der Holy Land Coordination wurde leider abgesagt, aber im Herbst 2021 bin ich auf Wallfahrt im Heiligen Land und werde auch Bethlehem besuchen.

 

Donata: Die Kollekte an Weihnachten wird – in Abstimmung mit der Schweizer Bischofskonferenz – schweizweit seit vielen Jahren immer für das Caritas Baby Hospital aufgenommen. Wie siehst du diesen unmittelbaren Ausfall an Spendengeldern für das Spital in Bethlehem? Wie schätzt du die Situation für die Zukunft ein?

Ich fürchtete in diesem Jahr 2020 einen größeren Spendenausfall. Dieser zeigte sich bereits beim Heiligland- Opfer in der Karwoche. Deshalb nahm ich ein Video auf und rief die Gläubigen auf diesem Kanal zu Spenden auf. Das Kinderspital ist wichtig und ein konkretes Engagement im Heiligen Land, das unsere volle Unterstützung verdient.

 

Donata: lieber Bischof Felix, lass uns abschließend den Großprior des Ordens, den Lateinischen Patriarchen, S.S. Erzbischof Pierbattista Pizzaballa, zitieren, der allen Damen und Rittern weltweit für die Gebete und die große finanzielle Unterstützung, insbesondere während dieser Zeit der Pandemie dankte. Er bezeichnete es als großes Glück, den Orden vom Heiligen Grab zu Jerusalem an seiner Seite zu haben, seine Worte dazu lauteten: «Danke, dass Sie für diese kleine, aber bedeutende Kirche das konkrete und greifbare Zeichen der göttlichen Vorsehung sind!».

 

(Frühjahr 2021)