Der Orden entwickelt sich auf dem lateinamerikanischen Kontinent weiter

Gespräch mit Enric Mas, Vizegouverneur des Ordens vom Heiligen Grab für Lateinamerika

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Enric Mas Vize-Gouverneur Enric Mas in Begleitung des Generalgouverneurs und des Großmeisters.

Das Amt des Vizegouverneurs für Lateinamerika wurde vor einigen Monaten neu geschaffen, wie verläuft Ihr Auftrag?
Der lateinamerikanische Kontinent stellt ein großes Potential für unsere kirchliche Institution dar, und deshalb kam es zur Ernennung eines Vizegouverneurs, der die Entwicklung des Ordens in dieser Region der Welt koordinieren sollte. Ich bin vor der Pandemie viel gereist und habe mich mit den Großprioren und den Statthaltern getroffen. Die Kontakte gehen weiter, hauptsächlich auf telematischem Wege, bis sich die Dinge wieder normalisieren.
Die Betonung liegt auf dem geistlichen Leben und auf dem Engagement der Mitglieder in ihren Diözesen, wo sie ein bisschen die Botschafter des Heiligen Landes sind, um einen Ausdruck von Kardinal Pietro Parolin wiederaufzunehmen. Brasilien hat zwei Statthaltereien, und wir denken über weitere Standorte in diesem riesigen katholischen Volk nach. Das Jahrbuch des Ordens konnte dieses Jahr dank einer großzügigen Initiative der Statthalterei für Portugal in diesem Land verbreitet werden. Die Statthalterei hatte die Übersetzung und Herstellung des Jahrbuchs Jerusalem-Kreuz auf Portugiesisch finanziert.
Auch in Argentinien, Kolumbien, Venezuela und Mexiko ist der Orden sehr präsent. Gegenwärtig haben wir in diesen Ländern insgesamt etwa 400 Mitglieder, aber im Hinblick auf die Entwicklungsprojekte in Ecuador und Panama nehmen wir an, dass die Zahl der Ritter und Damen trotz der Krise bald zunimmt, die diesen Teil der Welt besonders hart trifft.
Wie verfahren Sie, um neue Mitglieder des Ordens zu wählen und mondäne Kandidaten zu vermeiden, die sich mehr darum kümmern, in Erscheinung zu treten als zu dienen? Unsere Beziehung zu den örtlichen Bischöfen ist von entscheidender Bedeutung. Ich habe diesbezüglich sehr klare Anweisungen von Großmeister Kardinal Filoni und von Generalgouverneur Leonardo Visconti di Modrone erhalten.
Und die Bischöfe helfen uns, Männer und Frauen der Kirche auszumachen und auszuwählen, die in der Lage sind, ein gesundes Bild des Ordens zu vermitteln, und sie meiden Kandidaten, die zum Beispiel eine soziale Beförderung anstreben. Auch die bereits engagierten Mitglieder sind gute Ratgeber, denn sie kennen die umliegenden Länder insbesondere durch ihre berufliche Tätigkeit. Das geistliche Leben der Ritter und Damen ist für uns eine Priorität, genauso wie ihr Engagement in der Pfarrei. Wir beharren sehr auf einer intensiveren Ausbildung der Kandidaten in den peripheren Strukturen des Ordens.
Die Verbindungen zwischen den Statthaltereien der lateinamerikanischen Länder ermöglichen einen Erfahrungsaustausch und eine qualitativ hochwertige gegenseitige Anregung. Jedoch zählt nicht die Anzahl der Mitglieder, sondern die Qualität ihres christlichen Zeugnisses und ihr pastoraler Wille, die Mutterkirche im Heiligen Land zu unterstützen.
Auf welche Art ist der Orden heute ein Raum in dem sich Ihre Taufberufung entfaltet? Ich bin Rechtsanwalt, übe meinen Beruf noch immer aus, und ich bin verheiratet und Vater von drei Kindern. Mein Engagement im Orden ist für mich eine Art, der Kirche, das heißt der katholischen Gemeinschaft zu dienen. Es scheint mir für die Entfaltung des Ordens sehr wichtig zu sagen und bekannt zu machen, dass es sich um eine moderne Institution handelt, die auf kirchlicher Ebene ihrer Zeit in vielerlei Hinsicht voraus ist, da die getauften Laien darin voll und ganz Verantwortung tragen: Männer wie Frauen übernehmen sehr große Verantwortung unter der Leitung des vom Papst ernannten Großmeisters und in Zusammenarbeit mit dem Klerus, ohne jedoch von ihm abhängig zu sein.
Leo XIII. erlaubte den Frauen, Mitglieder des Ordens in einer Zeit zu werden, in der sie noch kein Wahlrecht hatten. Das war revolutionär, und in diesem Geist räumen wir den Frauen auch weiterhin einen wichtigen Platz ein: Mehrere von ihnen sind im Übrigen Statthalterinnen. Jenseits der falschen archaischen Bilder des Ordens freue ich mich zu bezeugen, dass meine Berufung als Laie – Priester, Prophet und König durch die Taufe –ihre volle Erfüllung im Orden findet: Er ist eine geistliche Familie, die uns daran erinnert, dass die Kirche in erster Linie eine Gemeinschaft von Brüdern und Schwestern ist, die einander lieben.


Das Gespräch führte François Vayne

(Oktober 2020)